In der Psychotherapie begegnen wir Menschen, die auf Lebensschwierigkeiten gestoßen sind, für deren Bewältigung ihre Selbstheilungskräfte nicht mehr ausreichen. Oft sind ihre Kräfte in ihrem Überlebenskampf bereits so erschöpft, ihr Umfeld derart verödet oder vergiftet, dass sie in ihrem geistigen, körperlichen und mitmenschlichen Potential schon mehr oder weniger stark geschädigt sind und ihr eigenes Leben und auch das anderer weiter beeinträchtigen. In der Gestalttheoretischen Psychotherapie nehmen wir unsere Klient:innen in ihren Belastungen, Einschränkungen und gestörten Potentialen ernst, ohne sie auf diese Störungen zu reduzieren oder zu akzeptieren, dass sie selbst das tun.
In diesem Kombinationsseminar gehen wir der Frage nach, welche Ideen und Konzepte zur Entstehung und Heilung psychischer Störungen uns in der therapeutischen Praxis hilfreich sind und welche uns eher behindern. In der Überzeugung, dass die wirkungsmächtigste Krankheitstheorie im Leben unserer Klientinnen letztlich immer ihre eigene ist, versuchen wir die Beziehung zwischen den gestalttheoretischen Leitideen zur Krankheits- und Gesundheitslehre und den „naiven“ Vorstellungen von der Entstehung und Überwindung psychischer Störungen herzustellen, wie sie bei unseren Klientinnen, aber auch bei uns selbst eine Rolle spielen. Als konkrete Beispiele werden uns vor allem Probleme dienen, die in den gängigen Psychopathologien als Persönlichkeitsstörungen und als Zwangsstörungen firmieren. Aber auch für andere Probleme werden wir uns je nach Interesse der Teilnehmenden Zeit nehmen.
Das Kombinationsseminar besteht aus einem Theorieseminar und zwei anwendungsorientierten Fachseminaren zu jeweils 12 AE, die im Ablauf ineinander verflochten und wechselseitig aufeinander bezogen werden. Der Inhalt der beiden Fachseminare kann den nachkommenden Seminarbeschreibungen entnommen werden.
Das Kombinationsseminar wird insbesondere für den zweiten Abschnitt der Ausbildung und für graduierte Psychotherapeut:nnen empfohlen. Die Seminare können nicht einzeln, sondern nur in Kombination gebucht werden
Fachseminar 1: Zwänge und Zwangsstörungen
Im ICD-10 werden wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen als wesentliche Kennzeichen von Zwangsstörungen genannt, wobei u.a. ihre quälende Natur und das Stören normaler Aktivitäten hervorgehoben werden. Menschen können sich in ihrem Denken und Verhalten jedoch in vielerlei Hinsicht gestört, unfrei und wie unter Zwang handelnd erleben, ohne dass dabei die klassischen diagnostischen Kriterien einer Zwangsstörung unbedingt zutreffen. Wir werden uns im Fachseminar daher mit den verschiedenen Möglichkeiten des Erlebens von Zwängen beschäftigen und dabei die psychologischen Bedeutungen und Funktionen „zwänglichen” Verhaltens und Erlebens näher beleuchten. Die kritische Auseinandersetzung soll dazu beitragen, ein differenziertes Verständnis von Zwangsstörungen und Zwängen und den damit einhergehenden unterschiedlichen Dynamiken und Schwierigkeiten zu entwickeln.
Fachseminar 2: “Persönlichkeitsstörungen”
Menschen mit ‚Persönlichkeitsstörungen‘ sind als ‘schwierige’ Klient:innen bekannt. Dabei kann es nur der Umgang mit diesen Menschen sein, der sich für im psychosozialen Feld tätige Personen schwierig gestaltet. In den medizinischen Klassifikationssystemen werden solche Störungen als (zeitlich länger dauerndes) Muster auf der kognitiven, emotionalen und Verhaltensebene beschrieben, die zu mehr oder weniger schwerwiegenden Beeinträchtigungen im Selbst, der interpersonellen Kommunikation und der
Beziehungsgestaltung führen. In diesem Fachseminar werden wir uns damit beschäftigen, was wir als schwieriges Beziehungsverhalten erleben und wie wir angemessen damit umgehen können. Darüber hinaus werden wir versuchen, ein gestalttheoretisches Verständnis dieser Störungsbilder zu entwickeln. Als Hintergrund bringt die Leiterin ihre Erfahrungen aus dem Bereich der Straffälligenhilfe sowie aus Supervisionen im klinischen Feld ein. Der Schwerpunkt wird deshalb auf den sogenannten „Borderline-“ und „dissozialen“ Persönlichkeitsstörungen liegen.
Leitung Theorie-Seminar: Gerhard Stemberger
Leitung Fachseminar Zwangsstörungen: Katharina Sternek
Leitung Fachseminar Persönlichkeitsstörungen: Doris Beneder
Anmeldung mit gesondert verrechneter Zimmerreservierung im Seminarhotel verbunden – siehe Hinweise zur Anmeldung auf Seite 27. Anrechenbar als Fortbildungsveranstaltung für eingetragene Psychotherapeut:innen gem. § 14 Abs. 1 PthG (im Ausmaß von 12+12+12 Einheiten). Theorie- und Fachseminare anrechenbar auf das Pflichtprogramm im Rahmen des Fachspezifikums der ÖAGP.
Doris Beneder
Katharina Sternek
Gerhard Stemberger